Klassenfahrten werden gezahlt

Gerichtsurteile zu Hartz-IV (süddeusche.de 14.11.2008)

In einer Reihe von Urteilen hat das Bundessozialgericht Klagen zur Hartz-IV-Reform behandelt: Klassenfahrten werden künftig gezahlt, Patchworkfamilien verlieren dagegen Ansprüche.

In mehreren Grundsatzurteilen zur Hartz-IV-Reform hat das Bundessozialgericht (BSG) die Klagen einer so genannten Patchworkfamilie und eines Euro-Jobbers auf mehr Geld abgewiesen. Auch insgesamt reiche zumindest für Erwachsene die Höhe des Arbeitslosengeldes II weiterhin aus, befand das Gericht in Kassel.

Die Kinder in Hartz-IV-Familien bekommen nach einem weiteren Urteil aber die Kosten für Klassenfahrten voll ersetzt. Zudem bestätigte das BSG den Ausschluss von Asylbewerbern von den Hartz-IV-Leistungen.

Urteil zu Patchworkfamilien

Mit dem Patchworkfamilien-Urteil wurde die Klage einer 15-Jährigen abgewiesen: Sie war im November 2005 mit ihrer Mutter zum neuen Partner der Mutter gezogen. Tochter und Mutter bezogen bis zu diesem Zeitpunkt Sozialgeld, danach nur noch die Klägerin.

Dieser Anspruch erlosch jedoch im August 2006 mit einer Gesetzesnovelle, nach der Lebenspartner in Bedarfsgemeinschaften auch für die zwar nicht rechtlichen, aber faktischen Stiefkinder aufkommen müssen. Das Einkommen des Partners reichte zwar für die Versorgung der gesamten Familie aus, ein Rechtsanspruch der Klägerin gegenüber dem Partner besteht aber nicht.

“Niemand kann dem Kind helfen”, sagte der Verteidiger der Klägerin. Weder der Sozialleistungsträger noch der Lebenspartner der Mutter seien nach dem Gesetz verpflichtet, für den Bedarf des Kindes aufzukommen. Das sei, so die Verteidigung, verfassungswidrig. Dem widersprach der Senat. “Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler für Kinder aufkommen, die in einer Einstandsgemeinschaft leben”, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Spellbrink. Außerdem sei grundsätzlich die Mutter verpflichtet, für ihr Kind zu sorgen. Tut sie das nicht, stelle das eine Sorgerechtsverletzung dar.

Urteil für Ein-Euro-Jobber

Nach einem weiteren Urteil dient die so genannte Mehraufwandsentschädigung, die “Ein-Euro-Jobber” zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld II erhalten, ausschließlich als “angemessene Entschädigung” für zusätzliche Ausgaben, die durch den Euro-Job entstehen. Das BSG wies daher die Klage eines Arbeitslosen aus dem Sauerland ab, der es für unzumutbar hielt, von seinem “Lohn” von gut 120 Euro monatlich auch die 51,90 Euro teure Monatskarte zu bezahlen. Die Linkspartei kritisierte in Berlin, nach diesem Urteil seien “nunmehr auch 60-Cent-Jobs möglich”.

Urteil über Klassenfahrten

Erfolg hatte dagegen eine Hartz-IV-Familie aus Berlin, die auf Erstattung der Kosten für Klassenfahrten ihrer Kinder klagten. Mit dem Urteil gaben die Richter der Familie Recht, der die Senatsverwaltung nur einen begrenzten Betrag bewilligen wollte. Höchstgrenzen für die Kosten von Klassenfahrten festzulegen, erlaube aber das maßgebliche Sozialgesetzbuch II nicht, befand das Gericht. “Kinder sollen gerade im schulischen Bereich nicht benachteiligt werden”, sagte der Senatsvorsitzende in der Urteilsbegründung.

Die Kinder sollten an Fahrten nach Brandenburg und Florenz teilnehmen. Im ersten Fall hätte dies 285 Euro gekostet, im zweiten Fall 719 Euro. Davon wollte die Arge nur einen Teil bezahlen und hatte die Kostenübernahme auf 400 Euro für Fahrten ins Ausland und 180 Euro für Touren nach Brandenburg beschränkt.

Studien des DIWIn der Armut gefangen Dagegen hatten die Schüler sich bereits erfolgreich vor dem Sozialgericht in Berlin gewehrt. Die Arge ihrerseits legte Revision vor dem höchsten

deutschen Sozialgericht ein. Im Vergleich zu anderen Ausgaben habe der Gesetzgeber Klassenfahrten gezielt bevorzugt, um eine Ausgrenzung der Kinder zu verhindern, erklärten die Kasseler Richter zur Begründung.

Urteil für Alleinstehende

Keinen Erfolg hatte die Klage eines Arbeitslosen aus Baden-Württemberg gegen die Höhe der Hartz-IV-Regelleistung für Alleinstehende von derzeit monatlich 351 Euro plus Wohnkosten. Damit bestätigte das BSG seine Rechtsprechung von November 2006. Über die Leistung für Kinder hatten die obersten Sozialrichter dabei nicht zu entscheiden; das Hessische Landessozialgericht hatte diese kürzlich als unzureichend dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Urteil für Asylbewerber

Mit einem weiteren Urteil bestätigte das BSG schließlich den Ausschluss von Asylbewerbern von den Hartz-IV-Leistungen. Die teilweise beschränkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seien gerechtfertigt, um

wirtschaftliche Anreize zur Einreise oder zum Verbleib in Deutschland zu vermeiden.

(AFP/dpa/ssc)

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