Verspätete Abgabe des Antragsformulars führt nicht zur Verwirkung

(Val) Die verspätete Abgabe eines Formulars zur Beantragung von Arbeitslosengeld II (ALG II) führt nicht zur Verwirkung des Anspruchs auf die Hilfeleistungen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt. In dem entschiedenen Fall bekommt der Antragsteller damit ALG II ab dem auf dem Antragsformular stehenden Datum, obwohl er es ausgefüllt erst über ein halbes Jahr später abgegeben hatte.

Der Kläger hatte am 09.06.2005 bei der beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Dresden wegen der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II vorgesprochen. Ihm wurde dabei ein Antragsformular ausgehändigt, auf das im Feld «Tag der Antragstellung» der Stempel «09.06.2005» aufgebracht wurde. Persönliche Daten des Klägers erfasste die Beklagte an diesem Tag nicht. Am 03.01.2006 legte der Kläger das nunmehr ausgefüllte Antragsformular bei der Beklagten vor. Er gab an, seinen Lebensunterhalt durch das Arbeitslosengeld nach dem SGB III, Erspartes und Darlehen seiner Eltern bestritten zu haben. Der beklagte Grundsicherungsträger gewährte ab 03.01.2006 ALG II.

Das Begehren des Klägers, die Leistungen bereits ab 09.06.2005 zu erbringen, lehnte die Beklagten ab. Der Kläger habe zwar am 09.06.2005 wirksam einen Antrag gestellt, so die Beklagte. Die damit geltend gemachten Leistungsansprüche seien aber für die Zeit bis vor dem 03.01.2006 verwirkt. Der Kläger habe nach seiner Antragstellung nichts mehr getan, um seine Ansprüche weiter zu verfolgen. Insbesondere habe er das ausgefüllte Antragsformular erst fast sieben Monate nach der Antragstellung vorgelegt.

Gegen diese Ansicht wehrte sich der Kläger erfolgreich vor Gericht. Das BSG entschied, dass dem Kläger ab dem 09.06.2005 Leistungen zustehen. Der Anspruch sei trotz der späten Abgabe des ausgefüllten Formulars nicht verwirkt.

Das BSG betont, dass der den Antrag stellende Bürger verpflichtet sei, im Verwaltungsverfahren mitzuwirken. So könne der Grundsicherungsträger verlangen, dass der Antragsteller bestimmte Beweismittel bezeichnet und Beweisurkunden vorlegt. Bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Mitwirkung sehe das Gesetz die Sanktion der Leistungsversagung vor, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der beklagte Grundsicherungsträger hätte sich laut BSG dieser Instrumente des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens bedienen müssen. Ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verwirkung sei deswegen ausgeschlossen. (anwalt.de, 2.11.2009)

Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2009, B 14 AS 56/08 R

 

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