Kinder aus Hartz-Familien dürfen Geld von Oma behalten

Kassel. Eine frühere Hartz-IV-Familie muss kein Geld an das Jobcenter zurückzahlen, nachdem die Kinder zum Geburtstag und zu Weihnachten Geld von ihrer Großmutter bekommen haben. Das Jobcenter Leipzig hat die Kürzungsbescheide am Dienstag aufgehoben, nachdem das Bundessozialgericht in Kassel (Aktenzeichen: B 14 AS 74/10 R) die Behörde auf formelle Fehler in ihren Schriftstücken hingewiesen hatte. Ein auf andere Fälle übertragbares Urteil erging aber nicht. Die Großmutter hatte für drei Enkel jeweils 100 Euro zu Weihnachten und an zwei Enkel je 135 Euro zum Geburtstag überwiesen. Da die Mutter der damals 6 bis 16 Jahre alten Kinder zu der Zeit Hartz-IV-Leistungen bezog, sah das Jobcenter das Geld als Familieneinkommen an und forderte 510 Euro zurück. Dagegen hatte die Familie geklagt.

Ein weiteres Urteil wurde außerdem veröffentlicht: Eine Familie von Hartz-IV-Empfängern aus Cuxhaven muss ihr Haus an der Nordsee nicht unbedingt verkaufen. Es sei nicht sicher, ob das Eigenheim in Strandnähe tatsächlich unangemessen teuer sei, entschied das Bundessozialgericht. Von den monatlichen Kosten in Höhe von knapp 800 Euro hatte das Jobcenter lediglich 470 Euro übernehmen wollen, weil das der angemessenen Miete für eine vierköpfige Familie entspreche. Deutschlands oberste Sozialrichter befanden jedoch, dass die Mietobergrenzen in der niedersächsischen Hafenstadt Cuxhaven nicht korrekt festgelegt worden seien und wohl zu niedrig liegen dürften (Az. B 14 AS 91/10 R).

Das Jobcenter Cuxhaven hatte die angemessenen Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger zwar in einer 200-seitigen Richtlinie bestimmt, die Vorgaben der Rechtsprechung dabei aber trotzdem nur unzureichend umgesetzt. Statt das tatsächliche Mietniveau für einfache Wohnungen zu erheben, legten sie lediglich die Wohnkosten zugrunde, die Bezieher von Hartz IV, Sozialhilfe und Wohngeld bis dahin erstattet bekommen hatten. „Sie haben aus dem Bodensatz noch einmal den Durchschnitt gebildet“, rügte der Senat. „Das ist kein schlüssiges Konzept.“

Die Aufforderung des Jobcenters an die Familie, die Wohnkosten zu senken und dafür notfalls auch das Haus zu verkaufen, fehlte damit die rechtliche Grundlage. Dennoch müssen die Kläger weiter bangen: Das Bundessozialgericht verwies den Fall zurück ans niedersächsische Landessozialgericht in Celle, um neu rechnen zu lassen. Sollte dabei herauskommen, dass das Eigenheim wirklich zu teuer ist, kämen die Hartz-IV-Empfänger um einen Verkauf wahrscheinlich nicht mehr herum.

Der Senat verwies dazu auf frühere Urteile, nach denen sich arbeitslose Hausbesitzer in solchen Fällen weder auf den grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie berufen könnten noch auf den wirtschaftlichen Verlust, den ein Verkauf der Immobilie bedeuten würde. (dpa/dapd/epd, Hamburger Abendblatt, 23.08.2011)

Download Artikel als PDF