Falz berät Arbeitslose – seit 25 Jahren

Politik in der ersten Person (FR, 26.11.2007) von Anita Strecker

Staatsexamen in der Tasche – und ab zum Arbeitsamt. Einstellungsstopp für Lehrer. Kein Bedarf für die ganze Nach-68er-Pädagogen-Flut. Für andere Jungakademiker sieht es nicht rosiger aus, damals Ende der 70er Anfang der 80er. Wohin? Was tun? fragen sich Sozialarbeiter, Germanisten, Politik- und Geisteswissenschaftler aller Fachrichtungen.

Nicht nur sie. Mehr als eine Million Arbeitslose zählt die bundesweite Statistik. Ein paar Gewerkschafter wollen nicht zusehen, trommeln im März 1982 in Frankfurt Arbeitslose zur Diskussion über die Ursachen von Arbeitslosigkeit, über Folgen wie Alkoholprobleme, Depressionen, Isolation und wollen gegen das Lamentieren neue Definitionen von Arbeit setzen.

Zwischen Kaffeekochen und Diskutieren

Sich selbst helfen, wo staatliche Arbeitsmarktpolitik und Arbeitslosenhilfe versagen: Etwa 40 Leute kommen zum ersten Treffen. Der Redebedarf ist groß. Sich austauschen, über Arbeitslosen- und Sozialhilfe informieren, Kontakte knüpfen auch zu anderen Erwerbslosengruppen, die sich allerorten formieren und wehren gegen Stigmatisierung und politische Diskriminierung. „Politik in der ersten Person“ heißt die Devise. Auch für Falz, das neue Frankfurter Arbeitslosenzentrum das 40 Leute im Frühjahr 1982 als Verein gründen.

Zum anfangs „losen, offenen Treffpunkt“ strömen immer mehr Arbeitslose, das Café Jottwede, eine Sport-, Theater- und Beratungsgruppe entstehen. „Und viele suchten dringend Beratung“, sagt Anna Veit, die als arbeitslose Sozialarbeiterin im November ’82 zum Falz gestoßen ist. „Nur irgendwann ging das einfach mehr zwischen Kaffeekochen und Diskutieren.“ Als einzige „Profis“ in Sachen Arbeitslosen- und Sozialhilfe bieten sie und Mitbegründerin Betsy Vey schließlich regelmäßig persönliche Beratungen an.

Falz geht es aber auch um politische Außenwirkung. Ein angesetzter Bundeskongress der Erwerbsloseninitiativen 1982 in Frankfurt bietet die Steilvorlage. Öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Schuhe putzen an der Hauptwache – „wer fleißig ist, bringt’s zu was“ – oder Montagsdemos in der Innenstadt machen bald Schlagzeilen.

„Erst zu uns, dann zum Jobcenter“

Falz wird bekannt – und die Nachfrage steigt. Während die Gruppe der politisch Ambitionierten allerdings mehr und mehr zum harten Kern zusammenschmilzt, strömen mit wachsender Arbeitslosigkeit Ratsuchende, die praktische Hilfe für Probleme mit Ämtern und ihre sonstige Lebenssituationen suchen.

Das Falz, zu Beginn untergeschlüpft in der evangelischen Dreifaltigkeitsgemeinde, wird zur stadtweiten Anlaufstelle für Erwerbslose und Sozialhilfebezieher. „Wenn uns die Kirchengemeinde damals nicht aufgenommen hätte, würde es das Falz heute wohl nicht geben“, sagt Anna Veit. Hat sie aber. Und das Falz selbst hat sich mit seinem Beratungsangebot in 25 Jahren derart professionalisiert, dass es aus dem sozialen Netz der Stadt nicht mehr wegzudenken ist. Alle Fragen rund um Hartz IV, zu Sozialversicherungen, zu Wohngeld bis hin zu Schuldnerberatung und kostenlosem Rechtsbeistand gehören zum Angebot.

„Inzwischen kommen die Leute mit Hartz IV-Anträgen erst zu uns, ehe sie zum Jobcenter gehen.“ Anna Veit zeigt auf drei Computerplätze in den neuen, gut 140 Quadratmeter großen Büroräumen in der Friedberger Anlage 7a. „Hier können Leute ihre Bewerbungen schreiben und sie mit uns durchsprechen.“ Dass das Beratungsangebot des Falz auf eine Marktlücke trifft und in richtige Arbeit ausartet, zeichnet sich schon in den Anfangsjahren ab. 1983 beantragt der Verein deshalb zwei ABM-Stellen. Über Jahre hinweg sollte dies das Finanzierungsmodell bleiben.

„Wir sind zäh“

Wobei das Falz-Team nach dem Rotationsprinzip verfuhr. „So war jeder von uns Beratern mal angestellt, mal arbeitslos und trotzdem weiter aktiv.“ Kein leichtes Prinzip, sagt Anna Veit. Eines, das Energie und Nerven kostet. Nicht alle haben das Leben in ständiger Unsicherheit, ob die Geldquellen versiegen, ausgehalten. Aber diese Solidarität hat das Falz getragen, sagt auch Harald Rein, einer der vier Hauptamtlichen, die inzwischen im Zentrum arbeiten.

„Wir sind zäh“, sagt Anna und lacht. „Und es haben sich die richtigen Leute gefunden.“ Leute, die überzeugt sind, von dem was sie tun. Und von der Notwendigkeit des Angebots.

So hat das Falz durchgehalten. Trotz ständiger Geldnot und Angst vor Kürzungen wie damals 1994 als SPD-Bürgermeister Achim Vandreike alle Zuschüsse kassiert. 1988 immerhin hat die Stadt für 60 ABM-Stellen von freien Trägern eine Übernahmegarantie gegeben. Inzwischen fördert die Stadt vier Stellen im Falz, eine davon für Schuldnerberatung. „Weil Langzeitarbeitslosigkeit unweigerlich auch zu Schulden führt und der Bedarf einfach wächst.“ Und weil es FALZ-Prinzip ist, hautnah am Bedarf zu arbeiten, sagt Anna. „Und immer professionell.“ Reich sind die Falz-ler damit nicht geworden. „Wir haben die Stadt bereichert,“ sagt Anna Veit. Das wiegt.

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