Kein Hartz-IV Existenz-Entzug mehr möglich?

Kein Hartz-IV Existenz-Entzug mehr möglich?: Hartz4-Plattform aus Wiesbaden fühlt sich bestätigt: Existenz-Entzug aus § 31 SGB II nicht mehr möglich

„Mit der heutigen Entscheidung des Bundessozialgerichts sehen wir uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar auch den Hartz IV-Sanktionsparagrafen 31 gekippt hat,“ erklärt Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin nach Kasseler der Urteilsverkündung gegenüber dem Sozialticker. „Der Hinweis der Richter während der Verhandlung, dass sie „nicht zu prüfen gehabt“ hätten, „ob die Sanktion verfassungswidrig“ sei, ist ein an Deutlichkeit nicht zu überbietender Wink mit dem Zaunpfahl an alle Verwaltungen und Sozialgerichte.“

Die Richter begründeten folgendermaßen: Zwar habe die Klägerin ihre Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung verletzt, indem sie einen 1€-Job vorzeitig abbrach. Dennoch gaben ihr die Richter recht, und wiesen die Sanktionen – in diesem Falle 100 % des Regelsatzes – als unrechtmäßig zurück. Sie wiesen die pauschale Standard-Rechtsmittelbelehrung als unrechtmäßig zurück. Die sei nicht ausreichend gewesen, um die Klägerin über die Rechtsfolgen zu belehren. Dazu bedürfe es – nach der heutigen Presseerklärung des Bundessozialgerichts – „strenger Anforderungen an den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung“, die dem individuellen Einzelfall angepasst und „konkret, verständlich, richtig und vollständig sein“ müsse.

Dies sei, nach dem Urteil der Bundessozialrichter, vor allem „deshalb geboten weil es sich bei der Herabsetzung der Grundsicherungsleistungen, wie aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) hervorgeht, um einen schwerwiegenden Eingriff handelt.“ Die Presseerklärung und bei Veröffentlichung das Urteil stehen auf: www.hartz4-plattform.de .

Und weiter heißt es in der Presseerklärung des Bundessozialgerichts mit deutlichem Hinweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil: „Da der Absenkungsbescheid schon wegen der unzulänglichen Rechtsfolgenbelehrung aufzuheben war, war nicht darüber zu entscheiden, ob die im Bescheid angeordnete völlige Streichung der Regelleistung für einen Zeitraum von drei Monaten zulässig war.“

„Wir wiederholen deshalb unsere Schlussfolgerung,“ stellt Brigitte Vallenthin gegenüber dem Sozialticker fest, „dass sich seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 9. Februar und der heutigen Entscheidung des Bundessozialgerichts niemand mehr existenzgefährdende Leistungskürzungen aus dem § 31 SGB II gefallen lassen muss. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass hier auch rückwirkende Rechtsmittel eingelegt werden können. Die Hartz4-Plattform wird prüfen lassen, wie sich Betroffene bezüglich Überprüfungsanträgen und Einstweilige Anordnungen – also Eilverfahren vor den Sozialgerichten – verhalten sollten und in Kürze im Detail darüber informieren.“ (pm, Hartz-4-Plattform, 18.02.2010)

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