Deckungslücke bei privater Kranken- und Pflegeversicherung bei ALG II nicht zulässig

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (LSG NSB L 15 AS 1048/09 B ER) entschieden, dass die Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung eines ALG II-Empfängers in voller Höhe zu übernehmen sind. Die gesetzlich vorgesehene nur anteilige Bezuschussung der entsprechenden Beiträge hält das Gericht für verfassungswidrig.

Die Antragstellerin bezog seit Mitte 2009 Arbeitslosengeld II. Aufgrund ihrer zuvor bestandenen selbständigen Tätigkeit war sie privat kranken- und pflegeversichert.

Aufgrund einer am 01.01.2009 in Kraft getretenen Neuregelung können ehemals privat Versicherte mit Beginn des Leistungsbezugs nicht in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. Auch als Leistungsbezieher muss die private Kranken- und Pflegeversicherung aufrechterhalten werden. Die Höhe des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung richtet sich nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Danach zahlt der Grundsicherungsträger den Beitrag als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung, der auch für einen Bezieher von ALG II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist, wenn unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Versicherungsbeitrages Hilfebedürftigkeit vorliegt.

Bei einer tatsächlich gegebenen monatliche Beitragsbelastung für privat kranken- und pflegeversicherte Leistungsbezieher in Höhe von ca. 320,64 € und einem Beitragszuschuss in Höhe von 142,11 € (ab Juli 2009) besteht eine monatlichen Deckungslücke in Höhe von 178,53 €. Dieser Betrag müsste dann entweder aus dem Regelbedarf beglichen werden oder der Leistungsbezieher würde monatliche Schulden bei seiner Krankenkassen anhäufen.

Bei Zahlung aus dem Regelbedarf unterschreitet der noch übrig bleibende Teil des Regelbedarfs nach Ansicht des Landessozialgerichts die verfassungsrechtliche Untergrenze des sozialrechtlich zu sichernden Existenzminimums. Zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes sah sich das Landessozialgericht verpflichtet, der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig einen Zuschuss in Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zuzusprechen. Die bestehende Deckungslücke verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Sicherstellung des Existenzminimums. (Anwalt.de, 09.06.2010)

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