Delmenhorst. 8000 Euro will die Stadt Delmenhorst in diesem Jahr für Verhütungsmittel ausgeben, und zwar für bedürftige Frauen, die älter als 20 Jahre sind. In der Schwangerenberatungsstelle tauchen vermehrt Frauen auf, die aus finanziellen Gründen nicht verhüten.
Das teilt die Verwaltung im Vorfeld der kommenden Sitzung des Gesundheitsausschusses am morgigen Dienstag der Politik mit. Verpflichtet zu der Zahlung ist die Stadt allerdings nicht, weil der Gesetzgeber in seiner Berechnung beispielsweise des Hartz-IV-Regelsatzes monatlich etwa 13 Euro für Gesundheitspflege vorgesehen hat. Allerdings ist dies reichlich knapp bemessen, rechnet die städtische Gleichstellungsbeauftragte Petra Borrmann in ihrer Vorlage vor: „Für die Verhütung mit der Pille fallen monatlich Kosten von fünf bis 15 Euro an.“ Und längerfristige Methoden wie Hormon- oder Kupferspirale kosten 150 bis 340 Euro, eine Sterilisation gar 500 Euro. Mit Hartz IV ist Verhütung also kaum zu finanzieren.
Das Problem für die Kommune: Übernimmt sie die Kosten für die den Frauen durch Verhütung entstehenden Kosten nicht, agiert sie ein Stück weit im rechtsfreien Raum. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hält es zumindest für einen Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz der unantastbaren Menschenwürde, wenn sich der Staat an den Kosten für die Verhütungsmittel für Bedürftige nicht beteiligt, während er den Frauen unter anderem finanzielle Hilfe bei einem Schwangerschaftsabbruch gewährt.
Früher, also vor der Novellierung der Sozialgesetzgebung, bezahlten die Sozialämter übrigens die Verhütungsmittel, Grundlage war das Bundessozialhilfegesetz. Doch nach Einführung der Hartz-Gesetze hat sich das geändert, nun bekommen nur noch Frauen bis zur Vollendung ihres 20. Lebensjahres das Geld wieder, und zwar von ihrer Krankenkasse.
Maximal 100 Euro Zuschuss im Jahr
Weil die Rechtslage unklar ist, empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Spitzenverbände, „weiterhin bei entsprechender Notwendigkeit die Kosten für ärztlich verordnete Mittel auch über das 20. Lebensjahr hinaus zu übernehmen“. Und diesem Rat will Delmenhorst nun folgen. Laut den Ausführungen der Verwaltung ist die Bezuschussung mit insgesamt 8000 Euro pro Jahr im Haushalt gesichert. Zuschüsse von bis zu maximal 100 Euro pro Jahr und Antragstellerin soll es geben. Und zwar für alle Frauen „von 20 bis 50 Jahren mit erstem Wohnsitz in Delmenhorst, die im Bezug von Arbeitslosengeld II, Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung oder BaföG stehen sowie Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“.
Mit den 8000 Euro orientiert sich das jetzt für Delmenhorst vorgeschlagene Modell an anderen Kommunen, die ebenfalls eine Art Sonderfonds für diese Unterstützung vorhalten. Der Landkreis Oldenburg stellte in diesem Jahr 10000 Euro in seinen Haushalt ein, die Stadt Oldenburg startete die Unterstützung im Oktober 2010 und füllte den Unterstützungstopf für das letzte Quartal des Jahres sogar mit 7500 Euro.
Im nordrhein-westfälischen Landkreis Minden-Lübbecke werden seit 2007 jährlich sogar 30000 Euro in den Haushalt unter der Überschrift „Maßnahmen für Familienplanung“ eingestellt. In dem sehr großen Landkreis, in dem über 300000 Menschen leben, wurden im Jahr 2009 zum Beispiel 294 Anträge auf Zuschuss für Verhütungsmittel genehmigt. Die Mindener übernehmen bis zu 70 Prozent der Kosten für die Pille, während es für längerfristig wirkende Verhütungsmittel wie die Spirale einen festen Zuschuss gibt. ( © dpa, 07.03.2011)