Hartz-IV-Empfänger sollen ihre Beitragsschulden bei privaten Krankenversicherern erlassen bekommen. Die Privatkassen erhalten künftig ihre Beiträge direkt vom Jobcenter und verzichten dafür auf Außenstände.
Berlin – Hartz-IV-Empfängern sollen Beitragsschulden bei privaten Krankenversicherern erlassen werden. Das sieht ein Kompromiss vor, den das Gesundheitsministerium nach Informationen des Tagesspiegels mit dem Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) ausgehandelt hat. Im Gegenzug bekommen die privaten Kassen die staatlichen Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig direkt von den Jobcentern und Sozialhilfeträgern überwiesen. Damit haben sie die Gewähr, dass die Betroffenen dieses Geld nicht anderweitig verwenden.
Die entsprechenden Gesetzesänderungen sollen bereits Ende August vom Kabinett beschlossen werden.
Damit hätte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ein jahrelanges Streitthema vom Tisch, das noch auf eine Regelungslücke aus Zeiten der großen Koalition zurückgeht. Weil sich Union und SPD in einem Detail ihrer Gesundheitsreform nicht einigen konnten, hatten sie in Kauf genommen, dass privat versicherte Hartz-IV-Empfänger in die Schuldenfalle gerieten. Einerseits durften diese seit Januar 2009 nicht mehr in eine gesetzliche Krankenkasse wechseln, andererseits bekamen sie aber die meist weit höheren Kosten für ihre Privatversicherung von den Jobcentern nur zum Teil erstattet.
Erst im Januar 2011 hatte das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass die Beiträge für die Privatversicherung von Hartz-IV-Empfängern in voller Höhe erstattet werden müssen. Was mit den bis dahin aufgelaufenen Altschulden geschehen sollte, blieb jedoch offen. Rückwirkende Zahlungen gab es nur für diejenigen, die Widerspruch gegen die Teilerstattung eingelegt hatten.
Bis zu dem BSG-Urteil hatten die Jobcenter für ihre privat versicherte Klientel in den meisten Fällen ehemalige Selbständige nur die Kosten übernommen, die auch für gesetzlich versicherte Hartz- IV-Empfänger anfallen. Derzeit sind das monatlich rund 131 Euro. Im Schnitt fehlten den privat Versicherten im so genannten Basistarif damit rund 155 Euro im Monat. Aus den am Existenzminimum bemessenen Regelsätzen war das für die Betroffenen kaum zu stemmen.
Mit dem Kompromiss werde ein „unwürdiger Zustand“ beendet, heißt es im Ministerium. Es sei „sehr zu begrüßen, dass durch die Einführung der Direktzahlung auch eine Lösung für die Altschulden gefunden worden ist“. Der PKV-Verband habe „in Aussicht gestellt, dass die einzelnen Mitgliedsunternehmen einen freiwilligen Forderungsverzicht leisten“. Wer wieder Arbeit finde, stehe dann nicht mehr vor einem Schuldenberg.
Die privaten Versicherer wollten sich am Mittwoch zu dieser Vereinbarung nicht äußern. Allerdings hatten sie im Vorfeld bereits klar gemacht, dass sie sich einen Schuldenerlass vorstellen könnten wenn sie im Gegenzug garantiert bekämen, dass es künftig keine Deckungslücken mehr gebe. Die Höhe der zu erlassenden Außenstände konnte der Verband am Mittwoch nicht ermitteln. Die Zahl der „Hilfebedürftigen“ im Basistarif bezifferte er auf rund 8500 Versicherte. (18.08.2011, Der Tagesspiegel)