Kein Girokonto

“Es kann jeden treffen” (t-online, 1.9.2006)

Haushalte, die hoch verschuldet sind oder nichts haben, sind bei Geldinstituten nicht gerne gesehen. Irgendwann beendet die Bank die Geschäftsbeziehung und ein ohnehin schwieriges Leben wird noch komplizierter. Rund eine halbe Million Haushalte besitzen deshalb in Deutschland kein eigenes Girokonto. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erwägt deshalb, Banken und Sparkassen zur Einrichtung eines Girokontos für alle Bürger zu verpflichten.

Recht auf eigenes Girokonto

In einer Welt, in der ohne Kreditkarten, Lastschriften oder Daueraufträgen fast nichts mehr läuft, sollte jeder Bürger das Recht auf ein eigenes Girokonto haben – so sieht es jedenfalls die Regierung. Unterstützung bekommt die Justizministerin dafür sogar von der Linkspartei, berichtet das Nachrichtenmagazin “Spiegel-Online”.

Alltag ohne Konto nicht zu meistern

Für Menschen ohne eigenes Konto ist der Alltag kaum zu meistern. Ohne Bankverbindung kommt heutzutage kaum ein Mietvertrag oder Arbeitsvertrag zustande. Für die Betroffenen, meint Brigitte Zypries, sei es so “sehr schwierig, in einer finanziellen Krise wieder Fuß zu fassen”. Die Regierung fordert die Banken deshalb auf, eine “Selbstverpflichtung” einzugehen.

Banken halten Regelung für überflüssig

Die deutschen Banken sehen das anders. Die Geldinstitute halten einen gesetzlichen Anspruch auf ein Girokonto für überflüssig. “Dafür bestehe kein Handlungsbedarf”, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Harald Noack, in Berlin.

Hinweise nicht nachvollziehbar

Im vergangenen Jahr seien lediglich 170 Beschwerden bei den Ombudsmännern (Schlichtern) der Kreditwirtschaft eingelegt worden. Das seien nur sechs Prozent aller Beschwerden gewesen. Zudem führen die Banker an, dass drei Viertel der betroffenen Kunden schließlich doch noch ein Girokonto bekommen hätten. “Vor diesem Hintergrund sind Hinweise auf eine angeblich große Anzahl kontoloser Bürger nicht nachvollziehbar”, sagte Noack.

Soziale Bedeutung des Kontos ist ein Begriff

Den Banken ist die “soziale Bedeutung des Girokontos” bewusst. Seit 1995 gibt es die Empfehlung der im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) vertretenen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft an alle Banken und Sparkassen, auf Anfrage ein “Girokonto für jedermann” auf Guthabenbasis einzurichten. Zwischen 1999 und 2005 sei die Zahl dieser Konten von 1,1 auf 1,9 Millionen gestiegen. Ein negativer Eintrag in der Schufa-Schuldnerdatei allein sei kein Ablehnungsgrund, sagte Noack. In Streitfällen könnten die Ombudsmänner der Banken angerufen werden. Seit 1992 sei fast jede zweite der knapp 15 000 Beschwerden im Sinne der Kunden geschlichtet worden

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