Bundessozialgericht: Mehr Rechte für Hartz-IV-Empfänger

(FR 08.11.2006)

In seinen ersten Urteilen zur Hartz-IV-Gesetzgebung hat das Bundessozialgericht die Rechte Arbeitsloser gestärkt. Was als angemessener Wohnraum gelte, werde oft zu streng und uneinheitlich bewertet.

Zu pauschal

Kassel – Die Kasseler Bundesrichter ließen deutliche Kritik am Gesetzgeber durchscheinen. Es sei nötig, den “unbestimmten Rechtsbegriff der angemessenen Größe” von Wohnungen genauer zu fassen, erklärte Senatsvorsitzender Peter Udsching. Der Senat rügte die übliche Praxis, die Mietobergrenzen einfach nach der bundesweit einheitlichen Wohngeldtabelle festzusetzen. Das sei zu pauschal. Vielmehr müssten die Arbeitsgemeinschaften (Arge) in ihren Gemeinden konkrete Erhebungen zum Mietniveau anstellen.

Auch die angemessene Wohnungsgröße dürfe nicht willkürlich festgelegt werden. Diese müsse sich an den Regeln der Länder für Sozialwohnungen orientieren, sagte Udsching. Die dort festgelegten Quadratmeterwerte liegen häufig über dem, was Empfängern von Arbeitslosengeld II zugestanden werde.

Eine bundeseinheitliche Regelung mahnten Deutschlands oberste Sozialrichter zu der Frage an, bis zu welcher Größe Eigentumswohnungen oder Häuser als “Schonvermögen” gelten, das von Arbeitslosen nicht verkauft werden muss. Auch hier hielt der Senat höhere Werte für angemessen, als zumeist von den Arge anerkannt werden. Er orientierte sich dabei an den Obergrenzen, bis zu denen Bauherren nach dem zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Wohnungsbaugesetz öffentlich gefördert wurden. Danach sei für eine Einzelperson eine 80-Quadratmeter-Wohnung beziehungsweise ein Haus mit 90 Quadratmetern Wohnfläche angemessen. Für jedes weitere Mitglied des Haushalts kämen 20 Quadratmeter hinzu. Die beklagte Arge Augsburger Land hatte der Klägerin nur 60 Quadratmeter zugestehen wollen.

In einem dritten Urteil entschieden die Richter, dass ein geschiedener Empfänger von Arbeitslosengeld II zusätzliche Leistungen bekommen kann, um Besuche seiner beim anderen Elternteil lebenden Kinder zu finanzieren. Das sei “verfassungsrechtlich erforderlich”, sagte Udsching. Allerdings könnten nicht einfach Pauschalen für dieses Umgangsrecht gezahlt werden.

Die Richter sahen nur einen Ausweg, den sie selbst als “kompliziert, aber letztlich vom Gesetzgeber so gewünscht” einstuften: Ein Arbeitsloser bilde für die Zeit von Wochenendbesuchen “zeitweise Bedarfsgemeinschaften” mit seinen Kindern und erhalte deshalb für diese Tage mehr Arbeitslosengeld II, allerdings nur, wenn die Kinder “bedürftig” seien. Joachim F. Tornau

Az.: B 7b AS 2/05 R; B 7b AS 14/06 R; B 7b AS 18/06 R

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