Schuldenabbau soll leichter werden

FR online 15.11.2006)

Verbraucher-Insolvenzrecht

Für mittellose Privatschuldner soll der Weg zum Neuanfang leichter werden. Eine Gesetzesreform sieht unter bestimmten Umständen den Verzicht auf ein Insolvenzverfahren vor.

Berlin – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) stellte am Dienstag Eckpunkte eines veränderten Verbraucher-Insolvenzrechts vor, das versucht, Aufwand und Kosten zu senken. Diese entstehen, weil auch solche Schuldner einem umständlichen Verfahren unterworfen werden, bei denen nichts mehr zu holen ist.

Das gilt nach Angaben des Ministeriums in 80 Prozent der rund 70 000 Fälle pro Jahr – die Betreffenden sind vermögenstechnisch “masselos”. Dennoch werden Insolvenzverfahren eröffnet, die im Schnitt 2500 Euro kosten sind, die Kapazitäten der Amtsgerichte strapazieren und die Justizkassen der Länder belasten, weil das Geld in der Regel beim Schuldner nicht beizutreiben ist. Wenn er mittellos ist, lohnt sich das ganze aufwendige Verfahren nicht, weil die Ansprüche der Gläubiger dennoch nicht befriedigt werden können.

Dem will Zypries durch eine beschleunigte Prozedur abhelfen. Wenn der Pleitier nichts hat, wird kein Insolvenzverfahren mehr eröffnet, sondern gleich die nächste Stufe eingeleitet, bei der es um die so genannte Restschuldbefreiung geht. Dazu muss der Schuldner sich von einer geeigneten Person oder Stelle – Notar, Steuerberater, Schuldnerberatung – eine Bescheinigung ausfertigen und vom Gerichtsvollzieher bestätigen lassen, dass er mittellos ist.

Hat er darauf einen Offenbarungseid geleistet, läuft eine sechsjährige Wohlverhaltensperiode an. Sie entspricht einem bereits 1999 eingeführten Ablauf zur Entschuldung. Ein Treuhänder zieht den pfändbaren Teil des Schuldner-Einkommens ein (derzeit sind das alle Einkünfte, die über 985 Euro monatlich hinausgehen, sofern keine Unterhaltspflichten bestehen) und verteilt das Geld unter die Gläubiger. Wenn der Schuldner mitzieht, bleibt er von Wohnungsbesuchen eines Gerichtsvollziehers verschont und bekommt nach Ablauf der sechs Jahre seine Restschuld vollständig erlassen. Fällt zwischenzeitlich ein “unvorhergesehenes Vermögen” – etwa ein Erbe – an, so wird das ebenfalls gemäß dem vereinbarten Schlüssel an die Gläubiger verteilt.

Im Gegenzug zur Entbürokratisierung soll der Schuldner nach der Planung des Justizministeriums in Zukunft erstmals an den Kosten beteiligt werden. “Eine Entschuldung zum Nulltarif soll es künftig nicht mehr geben.” Zypries schlägt einen Obolus von 13 Euro im Monat vor. Die Vereinfachung werde für eine Senkung der Fall-Kosten auf 800 bis 900 Euro sorgen.

Der Schutz der Gläubiger bleibe im vollen Umfang gewährleistet, betonte die Ministerin bei der Vorstellung ihres Konzepts. Die Eckpunkte stünden für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern. Überdies würden “die allgemeinen Interessen des Wirtschaftsverkehrs” berücksichtigt.

Im üblichen parlamentarischen Verfahren soll die Reform zunächst in Anhörungen auf den Prüfstand. Der ausgearbeitete Gesetzentwurf könnte dann im kommenden Frühjahr vom Kabinett verabschiedet werden. Mit Inkrafttreten der neuen Regelungen rechnet Zypries im Laufe des Jahres 2008. Knut Pries

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