Hohe Erfolgsquote von Hartz IV Widersprüchen

Widersprüche bei Hartz IV Bescheiden häufig für Betroffene erfolgreich Bundesagentur für Arbeit räumt Qualifikationsdefizite ein

Im Jahr 2009 war rund jeder dritte Widerspruch gegen gegen einen sogenannte Hartz-IV Bescheid erfolgreich. Von Januar bis November des letzten Jahres wurden demnach 267.612 falsche Bescheide an Arbeitslosengeld II (ALG II) Bezieher ausgestellt. In anschließenden Widerspruchsverfahren mussten die zuständigen Behörden die Bescheide korrigieren. Das bestätigte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) gegenüber dem ARD Politit-Magazin “Report Mainz”. Das entspricht einer Quote von rund 36 Prozent aller eingereichten Widersprüche. Die Bearbeitung eines Widerspruches nimmt im Durchschnitt etwa 3 Monate in Anspruch. In anderen Fällen werden die Widersprüche abgelehnt und landen dann oftmals vor den Sozialgerichten. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch viel höher liegen, da viele Hartz IV Betroffene sich nicht genügend rechtssicher auskennen und den Weg des Widerspruchsverfahren scheuen oder schlicht und errteifend nicht wissen, dass der ausgestellte ALG II Bescheid falsch ist.

Der Vize-Chef der BA erklärt in der ARD Sendung, dass der Grund in der “schwierigen Personalsituation” in den Argen zu finden ist. So sagte Alt gegenüber dem Magazin: “Wir haben erhebliche Qualifikationsdefizite, die noch verschärft werden durch eine hohe Personalfluktuation in unseren Arbeitsgemeinschaften”.

Professor Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte an der FH Remagen kritisiert das Personalchaos in den ARGEN. “Personalchaos deswegen, weil man eine neue Behörde aufbauen musste in einer Situation, in der ein völlig neues Gesetz eingeführt wurde und diese neue Behörde wurde mit Leuten zusammengewürfelt, die häufig oder im Regelfall überhaupt nicht über das Fachwissen verfügten, was man aber braucht, um so eine hochkomplexe Rechtsmaterie wie das SGB II umsetzen zu können.” Viele Arge Mitarbeiter haben laut “Report Mainz” zuvor beispielsweise bei Friedhofs- oder Gartenbauämtern beschäftigt. Hier ist nur schwer vorstellbar, dass die neuen Argen bzw Jobcenter Mitarbeiter über eine genügende Qualifikation verfügen, sachgerecht und rechtssicher zu entscheiden.

In einer internen Weisung der BA werden die Sachbearbeiter in den Argen dazu angewiesen, die Stattgabe von Widersprüchen auf 30 Prozent zu reduzieren. So steht wörtlich: “Bei Widersprüchen wird der Anteil voller und teilweiser Stattgaben aufgrund unzureichender Sachverhaltsaufklärung oder fehlerhafter Rechtsanwendung (vermeidbare Stattgaben) an allen Stattgaben auf 30 % reduziert.” Der Erwerbslosenverein Tacheles e.V. vermutet in einem Newsletter dahinter eine Fortsetzung der rechtswidrigen Praxis der BA. In der Weisung begründet allerdings die BA ihr Vorhaben mit einer “Qualitätssicherung”. Dazu wird auf Anlage 1.3 der internen Weisung verwiesen, die am Ende unter “Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen” zu finden ist. Danach sollen durch “Prüfungen im Rahmen der Fachaufsicht … Fälle mit unzureichender Sachverhaltsaufklärung und fehlerhafter Rechtsanwendung aufgespürt und die daraus resultierenden rechtswidrigen Entscheidungen … für die Zukunft beseitigt werden.” Das heist, Sachverhalte sollen in Zukunft vor einem Bescheid besser aufgeklärt werden und fehlerhafte Rechtsanwendung in Hartz IV Bescheiden sollen vermieden werden.

Die Weisung, wenn sie denn ebenso umgesetzt wird, könnte de facto eine Qualitätsverbesserung der Arbeit der ARGEn sein. Allerdings ist durchaus die Befürchtung gerechtfertigt, dass Argen perse Widersprüche ablehnen, um die BA Weisung einzuhalten. Die BA spricht selbst von einer “schwierigen Personalsituation” in der entsprechende Rechtssicherheit fehlt. Es wird sich zeigen, wie die Argen die BA Weisung umsetzt. Entweder können tatsächlich Widersprüche vermieden werden, indem zuvor eingehender geprüft wird, oder die Sozialgerichte bekommen aufgrund der abgelehnten Widerspruchsverfahren noch mehr Arbeit. (gegen-hartz.de, 11.01.2010)

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