BAG Prekäre Lebenslagen ruft auf zur Demonstration am 10.10. nach
Oldenburg: Krach schlagen statt Kohldampf schieben!
Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar dieses Jahres festgelegt,
dass die Neubemessung der Hartz IV-Regelsätze bis 1. Januar 2011 in
einem transparenten Verfahren nachvollziehbar begründet erfolgen muss.
Arbeitsministerin von der Leyen zeigt bislang keine Anzeichen, die
Vorgaben des höchsten Gerichts umzusetzen. Auch diesmal folgte die
Festlegung des soziokulturellen Existenzminimums, des sogenannten
Eckregelsatzes, den politischen Vorgaben der Regierungsparteien.
Anstelle das Bemessungsverfahren offenzulegen und eine öffentliche
Debatte darüber zu führen, was der Mensch zum Leben braucht, wurde über
den Alkohol- und Tabakkonsum von Erwerbslosen und einkommensarmen
Menschen debattiert und die Befriedigung des Bildungsbedarfs und der
sozialen Teilhabe von Kindern und Jugendliche durch diskriminierende
Gutscheine und Chipkaten propagiert.
Als Ergebnis der Neubemessung wurde gestern eine Erhöhung der
Regelleistung um lediglich 5 Euro bekannt gegeben. Diese Festsetzung wird
ohne Grund im Eiltempo durchgeführt. Das Datenmaterial wurde schließlich
erst Ende letzter Woche vom statistischen Bundesamt zur Verfügung
gestellt. Gleichzeitig sieht der letzte Woche vorgelegte Entwurf einer
umfassenden Hartz IV-Gesetzesänderung eine Reihe von gravierenden
Einschnitten vor. So sollen die Eckregelsätze für Kinder in der Höhe
gedeckelt werden, der befristete Zuschlag nach dem Bezug von
Arbeitslosengeld fällt ersatzlos weg und die Wohn- und Heizkosten sollen
kommunalisiert und pauschalierbar gemacht werden. Weitere Verschärfungen
sind unter anderem bei Sanktionen und beim Hartz-IV-Verwaltungsverfahren
geplant.
Mit dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren will die Bundesregierung die
Öffentlichkeit bewusst in die Irre führen. Menschen, die auf
Sozialleistungen zum Lebensunterhalt angewiesen sind, geraten zunehmend
in materielle Notlagen und ins gesellschaftliche Abseits. Die ignorante
Haltung der Fachministerin verhöhnt die Betroffenen: „Die Erhöhung von 5
Euro ist völlig unakzeptabel, weil allein ein Zuschlag von 80 Euro
monatlich für die gesunde Ernährung eines Erwachsenen erforderlich wäre.
Dabei sind andere Aspekte der Teilhabe und Bildung noch gar nicht
berücksichtigt“, erklärt Vorstandsmitglied Claudia Kratzsch von der BAG
Prekäre Lebenslagen. „Mit diesem Gesetzgebungsverfahren wird eine neue
Klagewelle heraufbeschworen, aber wir werden auch andere Mittel nutzen,
um die Regierungspläne zu durchkreuzen.“
Deshalb ruft die BAG Prekäre Lebenslagen Erwerbslose und Erwerbstätige
sowie BezieherInnen von Sozialhilfe, Wohngeld, Rente etc. gemeinsam zur
Teilnahme an der bundesweiten Demonstration am 10. Oktober in Oldenburg
auf. Wir wollen „Krach schlagen statt Kohldampf schieben!“ und fordern
die sofortige Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes um mindestens 80 Euro.
Erwerbsloseninitiativen wollen gemeinsam mit Erzeugern von
Nahrungsmitteln und Beschäftigten in Discountern klar machen, dass auch
Hartz- IV-Beziehende ein Anrecht haben auf Leistungen, mit denen sie
sich gesunde Lebensmittel leisten können und dass sie gleichzeitig zu
fairen Erzeugerpreisen und Löhnen im Einzelhandel beitragen können. Zu
wenig Hartz IV ist schlecht für alle. „Wir wollen uns von dem
Vorpreschen der Regierung nicht lähmen lassen. In Oldenburg werden
Erwerbslosenzusammenhänge nach längerer Zeit wieder eine unabhängige
bundesweite Demonstration organisieren. Das wird der Anfang einer Kette
von Aktionen sein. Wir wollen uns in der Debatte um den Regelsatz Gehör
verschaffen, denn noch ist das letzte Wort nicht gesprochen“, sagt
Hinrich Garms von der BAG Prekäre Lebenslagen.
(Hinrich Garms 27.09.2010) Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen —
Gegen Einkommensarmut und soziale Ausgrenzung e.V.