Urteil zu Hartz IV
(NT-V Dienstag, 7. Februar 2006)
Für Hausbesuche bei Empfängern des Arbeitslosengelds II reicht ein vager Verdacht auf Missbrauch nicht aus. Das hat das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt entschieden. Mit der am Dienstag bekannt gewordenen Entscheidung gaben die Richter der Klage einer 64-jährigen Frau aus Wiesbaden Recht, die einen Hausbesuch von Behördenvertretern abgelehnt hatte. Die Stadt hatte daraufhin ihren Antrag auf Bezüge nach dem Hartz-IV-Gesetz abgelehnt.
Das Gericht betonte aber in seiner Entscheidung, die Unverletzlichkeit der Wohnung sei ein hohes, verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Deshalb müssten Bezieher von Arbeitslosengeld II Hausbesuche von Vertretern der Arbeitsagentur oder der Stadt nur unter zwei Voraussetzungen gestatten: wenn die Behörden berechtigte Zweifel an den Angaben des Betroffenen geltend machen können, und wenn ein Hausbesuch geeignet ist, diese berechtigten Zweifel aufzuklären.
Die Frau hatte im Herbst vergangenen Jahres Arbeitslosengeld II beantragt. Sie war zuvor selbstständig gewesen, hatte ihre Geschäftstätigkeit nach eigenen Angaben jedoch aus Krankheitsgründen einstellen müssen. Die Betroffene bewohnt eine nach den Maßstäben des Gesetzes zu große Wohnung, machte aber geltend, dass sie sich krankheitshalber vorläufig nicht um eine neue, kleinere Wohnung kümmern könne.
Mitarbeiter der Stadt als Leistungsträger des Arbeitslosengelds II wollten daher mit einem Hausbesuch die genaue Größe der Wohnung ermitteln und auch prüfen, ob die Frau wirklich ihrer bisherigen Geschäftstätigkeit nicht mehr nachgeht. Weil sie diesem Hausbesuch nicht ohne weiteres zustimmen wollte, lehnte die Stadt ihren Hartz-IV-Antrag ab.
Das Landessozialgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall kein über einen vagen Verdacht hinausgehender, berechtigter Zweifel bestand. Ein konkreter Hinweis auf eine fortbestehende Tätigkeit als Selbstständige habe nicht vorgelegen. Und im Übrigen sei ein Hausbesuch auch kein taugliches Mittel, um eine mögliche Geschäftstätigkeit der Antragstellerin nachzuweisen.
Die Ablehnung des Hausbesuchs kann nach dem rechtskräftigen Urteil deshalb auch nicht als Grund dafür herangezogen werden, der Frau Leistungen der Grundsicherung zu verweigern.