Keine Bedarfsgemeinschaft – Jobcenter zahlt Summe nach

„Hier ist tatsächlich ein großer Fehler begangen worden. Ein Mitarbeiter unseres Jobcenters hat die Vorgaben des Sozialgesetzbuches (SGB II) nicht genügend berücksichtigt“ – das erklärte die Chefin des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg, Ingrid Wagener, dem Leseranwalt. Was war geschehen?
Die 24-jährige Jasmina Perske aus Lichtenrade beendete als Bachelor im Juli 2008 ihr Studium. Mit einer Anstellung klappte es allerdings nicht. Zunächst wohnte sie noch bei ihren Eltern, um ab 1. Oktober gemeinsam mit ihrem neuen Freund eine Wohnung zu beziehen. Gleichzeitig hatte sie bei ihrem Jobcenter ALG II beantragt und dabei auch die neue Adresse mitgeteilt.
Die Arbeitsagentur forderte sie daraufhin auf, alle zur Verfügung stehenden Unterlagen ihres Freundes ebenfalls einzureichen, da ansonsten der Antrag nicht bearbeitet werden könne. Mitte November wurde sie zum Jobcenter eingeladen. Bei diesem Gespräch teilte Frau Perske mit, dass sie mit ihrem Freund erst vor zwei Monaten in eine gemeinsame Wohnung mit einem gemeinsamen Mietvertrag gezogen sei.
Ihr Freund sei aber nicht bereit, seine gesamten Einnahmen dem Jobcenter offenzulegen, da noch keine Bedarfsgemeinschaft nach dem Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches vorlägen. Demnach tritt eine Bedarfsgemeinschaft erst dann ein, wenn man länger als zwölf Monate zusammengelebt hat. Das Jobcenter sah dies anders und verweigerte jegliche Zahlungen. Jeder Widerspruch wurde abgeschmettert, und sie erhielt die lapidare Mitteilung, sie könne ja die Angelegenheit vor das Sozialgericht bringen.
Besonders schlimm für die junge Frau, die inzwischen krank geworden war: Auch die Krankenversicherungsbeiträge an die Barmer Ersatzkasse wurden nicht überwiesen. So liegt die Forderung der Krankenkasse zurzeit bei 763 Euro – Frau Perske verfügt weder über Einnahmen, noch besitzt sie Ersparnisse. So die Ausgangslage, als sie sich um Hilfe an den Leseranwalt wendete. Für diesen war klar – hier musste rasch und schnell geholfen werden. Das Ergebnis: Jasmina Perske bekommt alle ihr zustehenden Beträge seit November 2008 nachgezahlt. Auch die Krankenkassenbeträge werden ausgeglichen.
15. Juni 2009 Berliner Morgenpost

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