Hartz IV – Pi mal Daumen, Demo am 10.10.10

Der neue Hartz-IV-Regelsatz würde nach Angaben der Bundesregierung ohne Änderung der Berechnungsgrundlage bei 382 Euro im Monat liegen – und damit 18 Euro höher als nun geplant. In einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Frage der SPD-Abgeordneten Anette Kramme, die der Frankfurter Rundschau vorliegt, heißt es, dieser Satz ergebe sich, wenn für die Berechnung die Verbrauchsdaten der unteren 20 Prozent der nach dem Einkommen geschichteten Haushalte verwendet würden.

Die unteren 20 Prozent waren bisher die Bezugsgröße. Die Regierung stützt sich bei der Festlegung des neuen Hartz-IV-Satzes auf die unteren 15 Prozent und begründet das damit, dass wegen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nunmehr eine größere Gruppe als früher aus der Berechnung ausgeklammert werde. Bei einer größeren Bezugsgruppe würde der Regelsatz der Hartz-IV-Empfänger zu nah an reguläre untere Einkommensbereiche herankommen – das gern genutzte Stichwort hierbei ist Lohnabstandsgebot.

Tausende demonstrieren

Der neue Satz von 364 Euro im Monat liegt fünf Euro über dem bisherigen und soll voraussichtlich ab 1. Januar 2011 gelten. Sozialverbände und Opposition haben die geringe Erhöhung kritisiert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat auf Grundlage der statistischen Daten des Ministeriums einen Satz von 415 Euro errechnet. Der Verband gesteht den Arbeitslosen dabei auch Ausgaben für Alkohol und Tabak sowie für einen gelegentlichen Imbiss außer Haus zu. Diese Ausgaben hat das Ministerium gestrichen.

Gegen die neuen Regelsätze haben am Sonntag mehrere Tausend Menschen aus allen Teilen Deutschlands in Oldenburg demonstriert und einen höheren Hartz-IV-Regelsatz gefordert. „Nur fünf Euro mehr im Monat für Lebensmittel sind ein Schlag ins Gesicht der Hartz-IV-Empfänger“, sagte die Oldenburger Ratsfrau Evelyn Schuckardt (Linke) zum Auftakt. Unter großem Lärm zogen die Erwerbslosen friedlich durch die Innenstadt und trommelten auf leere Kochtöpfe. Der Protestzug stand unter dem Motto: „Krach schlagen statt Kohldampf schieben.“ Die Veranstalter sprachen von 3000 Teilnehmern, die Polizei zählte rund 2500.

80 Euro mehr gefordert

Ein bundesweites Bündnis von Erwerbsloseninitiativen, Parteien und Gewerkschaften und Milchbauern hatte zu der Demonstration aufgerufen und mindestens 80 Euro monatlich mehr für Lebensmittel gefordert. „Von weniger kann man nicht halbwegs gesund leben“, sagte der Vorsitzende des Erwerbslosenforums Deutschland, Martin Behrsing (Berlin). Die Redner warfen der Bundesregierung auf der Abschlusskundgebung vor, Statistiken manipuliert und Willkürentscheidungen beim Festsetzen der neuen Regelsätze getroffen zu haben.

Dagegen forderte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in einem Interview mit dem Magazin Focus eine härtere Gangart gegen Hartz-IV-Bezieher. „Wer ein Arbeitsplatzangebot oder eine notwendige Qualifizierung ablehnt, dem müssen die Sozialleistungen gekürzt oder – in Wiederholungsfällen – komplett gestrichen werden. Da haben wir in Deutschland noch nicht die letzte Tapferkeit entwickelt“, sagte Seehofer.

Der bayerische Ministerpräsident ergänzte, sein Bundesland habe mit vier Prozent die geringste Arbeitslosigkeit und in vielen Regionen quasi Vollbeschäftigung. „Es kann nicht sein, dass Deutschland, das so hervorragend aus der Wirtschaftskrise gestartet ist und wo der Arbeitsmarkt brummt, resigniert vor einigen Prozent, die zwar könnten, aber nicht wollen.“ (FR, Daniela Vates,mit epd/afp, 11.10.20.10)

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