Obwohl die Hartz IV Gesetzesänderungen den Bundestag noch nicht passierten, versendet die Bundesagentur bereits neue ALG II Bescheide. Das ist jedoch rechtswidrig und missachtet demokratische Grundsätze. Denn die Neuregelungen wurden bislang weder im Bundestag noch im Bundesrat verabschiedet.
Obwohl die geplanten Neuregelungen bei Hartz IV noch nicht den Deutschen Bundestag passierten, hat die Bundesagentur für Arbeit bereits eine Vielzahl von Bescheiden versandt. Die Versendung hat bereits Mitte September begonnen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Es scheint, als widersetze sich das zuständige Bundesarbeitsministerium den demokratischen Instanzen die dafür notwendig sind, um neue Gesetze zu verabschieden.
Ab dem kommenden Jahr sollen nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition zahlreiche Hartz IV Änderungen umgesetzt werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Pläne ist die Neuberechnung der Hartz IV Regelsätze. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber im Februar dazu verdonnert, die Regelsätze nach einem „nachvollziehbaren und transparenten“ Verfahren zu ermitteln. Sozialverbände, Parteien und Erwerbslosen Gruppen haben in den letzten Tagen und Wochen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Berechnungsgrundlagen sehr wahrscheinlich wieder nicht den Grundsätzen der Verfassung entsprechen. So hat sich die Bundesregierung zahlreicher Tricks bedient, um die Arbeitslosengeld II Regelsätze nicht ansteigen zu lassen.
Doch im Bundesarbeitsministerium scheint man sich offensichtlich den demokratischen Kontrollinstanzen zu widersetzen. So habe die BA bereits seit September damit begonnen, die geplanten Änderungen in den Hartz IV Bescheiden mit einfließen zu lassen. So sind entsprechende Bescheide verschickt worden, in denen Eltern ab dem ersten Januar das Elterngeld in den laufenden ALG II Bezug „als sonstige Einnahmen“ mit angerechnet, also gestrichen, wird.
Die BA rechtfertigt sich mit dem Argument man wolle den zu erwartenden Verwaltungsaufwand „gering halten“. Zudem wolle man mit den Vorabbescheiden verhindern, dass im nächsten Jahr zu viel gezahlte Leistungen zurück gefordert werden müssten. Das Bundesarbeitsministerium unterstützt diese Vorgehensweise. „Würde über Teile von Bewilligungszeiträumen zunächst nicht entschieden, bestünde zu Beginn des Jahres 2011 die Gefahr, dass die existenzsichernden Leistungen nicht oder nicht in erforderlichem Umfang ausbezahlt werden“, heißt es in einem Bericht des Arbeitsministeriums an den Deutschen Städtetag.
Doch diese Vorgehensweise ist genauso rechtswidrig, wie Teile der Herleitung des neuen Regelsatzes. Auch die Kommunen kritisieren heftig die Versendung der neuen ALG II Bescheide. Das Verhalten der Bundesagentur sei „rechtswidrig“ so die Kommunen. Schließlich existiert noch keine gültige Rechtsgrundlage für die Bescheide. „Wir befürchten enorme verwaltungsorganisatorische und ökonomische Auswirkungen aufgrund der Vielzahl der zu erwartenden Widerspruchs- und Klageverfahren“ heißt es in einem Schreiben der Kommunen an das Bundesarbeitsministerium.
Von der Opposition hagelte es ebenfalls Kritik. Die Grünen Politikerin Brigitte Pothmer wirft der Bundesregierung vor, die gesetzlichen Gremien zu missachten. „Fakt ist, dass weder Parlament noch Bundesrat über die Pläne von Ministerin Ursula von der Leyen entschieden haben. Bis das nicht passiert ist, ist es rechtswidrig, wenn die Jobcenter vorauseilend den Regierungswillen ausführen und damit Fakten schaffen.“
Hier wird deutlich, mit welcher Haltung die Bundesregierung bei Hartz IV vorgeht. Die Neuregelungen sollen durchgepeitscht werden, egal ob wir in einer Demokratie leben oder nicht. (sb, gegen-hartz.de, 08.10.2010)