Die sogenannten Hartz IV Gesetze werden nach und nach den Wünschen der Bundesregierung angepasst. Für Arbeitslosengeld II Bezieher bedeutet dies eine eindeutige Verschärfung der Rechtslage. Nach Angaben der Bochumer Arbeitsgemeinschaft „prekäre Lebenslagen“ wurde das Sozialgesetzbuch (SGB II) in den letzten Jahren insgesamt 51 mal geändert. Deutlich wurde, dass der Gesetzgeber eine Reihe von Regelungen veränderte, um Klagewellen vor den Sozialgerichten einzudämmen. Die Mehrheit der Änderungen wirkten sich negativ auf die Betroffenen aus. Im Mittelpunkt der Änderungen stehen vor allem Sanktionen und Repressionen und Bedarfsunterdeckung. Das Ziel ist klar: Es soll eine kontinuierliche Minderung bei Hartz IV-Leistungen stattfinden. Nach Meinung der schwarz-gelben Koalition sollen sich die Menschen „nicht bei Hartz IV einrichten“. Die Gesetzesneuregelungen werden diesem unmenschlichen „politischen Willen“ ausgerichtet.
Hartz IV Sanktionen werden erleichtert
Die Sanktionen gegenüber Erwerbslosen soll erheblich erleichtert werden. Ein Ankündigung der Androhung einer Leistungskürzung nicht mehr erforderlich. Verstöße gegen per Verwaltungsakt auferlegte Pflichten können nun ebenfalls sanktioniert werden. Auch ein „schlechtes Verhalten“ kann von den Jobcentern sanktioniert werden. Sanktionen müssen nicht mehr umgehend verhängt werden, sondern in einem Zeitraum von bis zu Monaten nach Verstoß (§ 31 I 1). ALG II-Kürzungen von mehr als einhundert Prozent sind möglich, auch in Zusammenhang mit Darlehenstilgungen.
Bedarfsunterdeckung durch Tilgung von Darlehen
Darlehen, auch bereitgestellte Mietkautionen, werden mit 10 Prozent des Regelbedarfs getilgt (bislang max. 10 %; Kautionen wurden bislang gar nicht getilgt, sondern bei einer Beendigung des Mietverhältnisses zurückgezahlt). Darlehen können an alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, auch die Kinder, gemeinsam gewährt werden. Zur Darlehenstilgung werden sie dann gesamtschuldnerisch herangezogen. Dadurch entsteht über Jahre eine Bedarfsunterdeckung. Darlehen werden nun überhaupt nur gewährt, wenn alle Rücklagen, auch für notwendige Anschaffungen, aufgebraucht sind (§ 42a).
Vorläufige Einstellung der Zahlung des Regelsatzes
Vermutet die Behörde ein zukünftiges Einkommen des Leistungsberechtigten, können Sachbearbeiter sofort die Zahlung des Regelsatzes einstellen bzw. die Zahlungen entsprechend des zu erwartendem anrechenbaren Einkommens kürzen (SGB II, § 39 II Z. 4)
Zu viel gezahlte Regelleistungen der Vergangenheit
Zu viel gezahlte Leistungen können ab sofort mit einer Kürzung des Regelbedarfs zwischen 10 bis 30 Prozent „geahndet“ werden. Das gilt solange, bis die in der Vergangenheit zu viel gezahlten Leistungen abgetragen sind. Bislang musste das erst nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit erstattet werden, wenn kein schuldhaftes oder grob fahrlässiges Verhalten vorlag. Dadurch kann wiederum eine erhebliche Bedarfsunterdeckung entstehen (§ 43 I).
Pflicht zur Rücklagenbildung für Anschaffungen
Sozialgeld und Hartz IV Bezieher müssen ab sofort einen Anteil für häusliche Anschaffungen von den ALG II Regelleistungen zurücklegen. Dieser Rücklagenbetrag liegt derzeit bei 52 Euro (Single-Haushalt). Die Rücklagen müssen für die Anschaffungen von Kühlschränken, Herd oder Waschmaschine gebildet werden. Legen Betroffene das Geld nicht zurück, kann das Geld vom Jobcenter laut § 20 I 4 iVm § 24 II einbehalten werden. Auch hier wird bewusst eine Bedarfsunterdeckung in Kauf genommen.
Mietobergrenzen bei Hartz IV
Die Kosten der Unterkunft werden von nun an wesentlich von den Kommunen getragen. Bislang galt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Zukünftig können die Kommunen durch eigene Satzungen die Wohnungskosten senken (§ 22a+b). Erwerbslosen-Initiativen befürchten Satzungsänderungen nach Kassenlage der Kommunen. Da die Kommunen über fehlende finanzielle Mittel klagen, sind hier weitreichende Kürzungen zu erwarten. Fehlbeträge müssen von den ALG II-Regelleistungen bezahlt werden. Einzige Verbesserung: Nicht notwendige Umzüge müssen von nun an von den Behörden getragen werden. (Begründung zu § 22 IV 2).
Zu wenig erhaltene Zahlungen
Leistungsnachzahlungen aus Überprüfungen unrechtmäßiger Hartz IV Bescheide aus der Vergangenheit können nur noch rückwirkend für ein Jahr geltend gemacht werden. Davor war ein Überprüfung der letzten vier Jahre möglich. Der Überprüfungszeitraum gilt nun für ein Jahr plus dem laufenden Jahr. (§ 40 I2)
Generelle Antragserfordernis für einmalige Beihilfen
Bislang wurden einmalige Beihilfen (z.B. Wohnungserstausstattung, Schwangerschaft, Geburt, jetzt auch therapeutische Schuhe und Geräte (§ 24 III), Klassenfahrten und jetzt auch Schulausflüge, Schülerbeförderung, Nachhilfe, Mittagessen, Sport und Kunst (§ 28 I + VI-VII), bei Kenntnis der Behörde automatisch gewährt. Ab sofort müssen für alle Leistungen gesonderte Anträge gestellt werden. Es werden keine rückwirkenden Leistungen mehr gewährt. Eine Ausnahme bildet das Schulbedarfsgeld in Höhe von 70 Euro. Anträge können bei der Behörde formlos gestellt werden. Wichtig ist, dass der eingereichte Antrag bestätigt wurde. Bewilligungen von Seiten der Behörden gelten nur in Schriftform. Erst ab Antrag können die Leistungen bewilligt werden, sofern ein Anspruch besteht. (sb, 23.03.2011 gegen-hartz.de)