Einmal nach Karlsruhe (Bundesverfassungsgericht) und zurück

Vorige Woche hat Thomas Kallay mal wieder Post bekommen vom Jobcenter − den Hartz-IV-Bescheid für April. Fünf Euro mehr Arbeitslosengeld bekommt er jetzt im Monat, die Hartz-Reform ist ja nun in Kraft. Seine Tochter könnte Zuschüsse beantragen für Schulausflüge, Schulmittagessen und Musikschulstunden. „Was sollen wir mit dem Unsinn?“, sagt Thomas Kallay. Seine Tochter ist gut in der Schule, sie ist in keinem Verein. Mittagessen wird in ihrer Schule nicht angeboten. Die Kallays werden das Bildungspaket, von dem Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) so schwärmt, nicht nutzen.

Die Ministerin schwärmt. Thomas Kallay regt sich auf. Er ist einer der drei Kläger, auf die die Hartz-IV-Reform zurückgeht. Im Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht den Klägern Recht gegeben. Die Hartz-Regelsätze seien nicht transparent berechnet, urteilten die Richter, und der Bedarf von Kindern dürfe nicht aus dem von Erwachsenen abgeleitet werden. Kallay war zur Urteilsverkündung in Karlsruhe gewesen. Er sah zufrieden aus. Sechs Jahre waren vergangen, seit er die Klage eingereicht hatte.

Kallay ist 48 Jahre alt. Er hat früher mal ein Sportstudio betrieben, er war IT-Techniker und Computer-Journalist. Als der Verlag pleite ging, hat er versucht, sich mit Computer-Dienstleistungen selbstständig zu machen. Er habe damals 70 bis 80 Stunden in der Woche gearbeitet, sagt er. Dann kam ein Zusammenbruch, Verdacht auf Herzinfarkt. Ende der 90er Jahre war das. Seitdem ist Kallay arbeitslos und als chronisch krank eingestuft.

Kallay sagt, er studiere jeden Mittwoch und jeden Samstag die Stellenanzeigen. Aber es gebe nichts, „was sich realisieren lässt“. Er glaubt, dass das auch daran liegt, dass er geklagt hat, dass er Mitglied der Linkspartei ist und ehemaliger Betriebsrat. Daran, dass er unbequem ist.

Kallay hat aber ziemlich viel Energie. Er arbeitet in einer Arbeitsloseninitiative in seiner nordhessischen Heimatstadt Eschwege mit. Er hat sich ins Sozialrecht vertieft. Er findet, dass es ziemlich ungerecht zugeht. 15 Stunden darf er in der Initiative maximal tätig sein, wenn er keine Sozialleistungen verlieren will. Er nennt sich erwerbslos. „Arbeit habe ich genug“, sagt er.

Die Regierung, findet Kallay, hat das Verfassungsgerichtsurteil nicht umgesetzt. Es gebe keine transparenten Berechnungen, das Bildungspaket sei eine Farce. Er hat jetzt wieder Klage eingereicht. ( 04.04.2011, FR, Daniela Vates)

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