Arbeitsministerium prüft Jobcenter Missbrauch von Ein-Euro-Jobs

Aufregung um die Ein-Euro-Jobs: Eigentlich sollen Hartz-IV-Empfänger nur Aufgaben übernehmen, die sonst niemand macht. Doch jetzt zeigt ein interner Prüfbericht des Bundesarbeitsministeriums, dass diese Jobs oftmals reguläre Arbeitsplätze ersetzen.

Sie säubern Parks, unterstützen Erzieherinnen in Kindergärten oder helfen im Altenheim. Knapp 158 000 Hartz-IV-Empfänger haben einen Ein-Euro-Job, mit dem sie durchschnittlich 1,50 Euro die Stunde verdienen. Ihre Arbeit soll „im öffentlichen Interesse“ sein und nicht dazu beitragen, dass dadurch normal beschäftigte Arbeitnehmer ihre Stelle verlieren. Es muss sich also um eine zusätzliche Aufgabe handeln. Doch nun zeigt sich erneut: In vielen Fällen wird genau dieses Kriterium nicht erfüllt. Dies geht aus einem internen Prüfbericht des Bundesarbeitsministeriums hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

In dem Bericht heißt es in Sachen Ein-Euro-Jobs: „Das gesetzlich vorgeschriebene Merkmal der Zusätzlichkeit lag (…) häufig nicht vor. Die Arbeiten waren nach der Tätigkeitsbeschreibung von den regulären Arbeiten kaum zu unterscheiden.“ Regelmäßig habe „ein großes (Eigen-)Interesse der Kommunen“ an den Maßnahmen bestanden.

Der Bundesrechnungshof (BRH) rügt schon lange, dass Ein-Euro-Jobber Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen. In einer Untersuchung, die vor einem Jahr bekannt wurde, kritisierte der BRH, dass Jobcenter den Hartz-IV-Empfängern „meist wahllos Arbeitsgelegenheiten“ zuwiesen, sodass Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Firmen „ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentliche geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren“.

Eine Prüfgruppe des Arbeitsministeriums, das die Bundesagentur für Arbeit beaufsichtigt, hatte deshalb bereits 2008 die Vergabepraxis bei den Ein-Euro-Jobs durchleuchtet. Nun wurden teilweise dieselben Jobcenter erneut kontrolliert. Die Prüfer kamen dabei zu dem Schluss, dass es im Vergleich zum letzten Mal nur zu „leichten Verbesserungen bei der rechtmäßigen Bewilligung“ der Ein-Euro-Jobs gekommen sei. „Da es sich um eine Nachprüfung handelte, wären deutliche Verbesserungen zu erwarten gewesen“, heißt es in dem Bericht. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, sagt deshalb: „Ein-Euro-Jobs sind Gift für den Arbeitsmarkt und gehören abgeschafft.“

Die Bundesagentur sieht dies ganz anders: Sie fordert, die Kriterien „Zusätzlichkeit“ und „öffentliches Interesse“ abzuschaffen. Die Ein-Euro-Jobs sollten dazu beitragen, Hartz-IV-Empfänger an die Arbeitswelt heranzuführen. Daher müssten die Arbeitsgelegenheiten auch „möglichst arbeitsweltnah“ ausgestaltet werden, sagte eine BA-Sprecherin. Nur so könne der Arbeitslose auch das Gefühl haben, „tatsächlich einen sinnvollen Beitrag zu leisten“.

Ein-Euro-Jobs müssen wettbewerbsneutral sein

Nichts dagegen hat die Bundesagentur, wenn die Ein-Euro-Jobs weiter wettbewerbsneutral seien, also keine Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt verdrängen sollen. Dafür seien aber lokale Ausschüsse mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften nötig. Diese sollten „über Auswahl und Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten einvernehmlich entscheiden“, fordert die BA. So sehen es auch die Arbeitgeberverbände, der Zentralverband des Handwerks, der DGB und Verdi: In einem Brief an die Abgeordneten im Ausschuss für Arbeit und Soziales sprachen sie sich dafür aus, Beiräte mit Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verpflichtend einzurichten – ohne Erfolg.

Beiräte in den Jobcentern sind inzwischen zwar verpflichtend, jedoch kein Ausschuss mit lokalen Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Häufig überwiegen deshalb die Interessen der Träger, die für günstige Arbeitskräfte dankbar sind. So sieht es auch die Abgeordnete Zimmermann. Sie hält öffentlich geförderte Jobs für „durchaus sinnvoll“. Nur dürften sie nicht dazu beitragen, „den Niedriglohnsektor zu fördern und Arbeitslosen den Weg in reguläre Beschäftigung zu versperren“. (sueddeutsche.de, Thomas Öchsner , 02.12.2011)

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