Kassel – Wer nach langer Selbstständigkeit sein Gewerbe verliert und zum Sozialfall wird, muss nicht in jedem Fall seine Lebensversicherungen für den Unterhalt verkaufen. Das Bundessozialgericht hat die Rechte Selbstständiger bei der Anwendung der Hartz-IV-Gesetze gestärkt.
Die obersten Sozialrichter Deutschlands stellten mit einem Urteil am Donnerstag in Kassel klar, dass die Versicherungen als Altersvorsorge unter einem bestimmten Schutz stehen können und die Betroffenen dadurch Anspruch auf das Arbeitslosengeld II haben (Aktenzeichen: B 14 AS 35/08 R).
Geklagt hatte eine 59 Jahre alte Friseuse aus Mainz, die seit 1977 selbstständig als Hundepflegerin gearbeitet hat. Die Frau hat das Geschäft nicht mehr, ist schwerbehindert und leidet unter Arthrose. Das Mainzer Jobcenter lehnte aber die Zahlung von Hartz IV ab, weil die Frau über sieben Lebensversicherungen mit einem Gesamtwert von gut 80 000 Euro verfügt. Sozialversicherung habe sie praktisch nie eingezahlt. «Sie hat sich Zeit ihres Lebens vom Solidarsystem abgewandt. Warum soll die Allgemeinheit jetzt einstehen, obwohl sie Vermögen hat?», fragte der Anwalt des Jobcenters.
Die Anwältin der Frau argumentierte hingegen, dass die Lebensversicherungen für das Alter seien. «Sie hat das gemacht, was immer propagiert wird: Sich um ihre eigene Altersversorgung gekümmert. Jetzt will man ihr das wegnehmen.» Es sei unzumutbar, die Frau jetzt zum vorzeitigen Rückkauf der Versicherungen weit unter Wert zu zwingen. Die Bundesrichter konnten den konkreten Fall nicht entscheiden und verwiesen ihn an das Mainzer Landessozialgericht zurück. Bei einer «Kumulation von Umständen« könnten sich aber Härtefälle ergeben, die die Lebensversicherung – wenn sie genuin als Altersvorsorge geplant ist – schützen, betonten sie.
(dpa) 07.05.09